Kap. 1 Der Auserwählte
Die Halle des heiligen Tempels war groß im Vergleich zu den anderen Behausungen der Duergar. Sie erstreckte sich über eine Fläche von fünfhundert mal fünfhundert Schritt und wurde von vier riesigen Säulen, die in fünfzig Schritt Entfernung von jeder Ecke des Raumes standen, gestützt und die Decke hatte eine Höhe von zweihundert Schritt. Für diesen Tempel haben die Duergar eine Bauzeit von fünf Jahren in Kauf genommen. Alles war auf das feinste aus dem Felsen herausgehauen und jeder Hammerschlag war zu Ehren von Laduguer, ihrem Gott, gefallen.
Es waren fast alle Angehörigen, annähernd fünfhundert Grauzwerge sind dem Ruf des Oberklerus gefolgt, in der großen Halle versammelt. Etwas Bedeutendes würde verkündet werden, das wußten alle. Die Spannung war fast greifbar und allgemeines Gemurmel wurde von der Akustik des Raumes vielfach verstärkt. Die Laute verstummten abrupt als ein alter Duergar in festlicher Robe aus der rückwärtigen Tür neben der übergroßen, die ganze Höhe der Wand bestimmenden Statue Laduguers trat. Mit tiefer sonorer Stimme begann er zu sprechen.
„Meine Brüder, ich habe euch gerufen weil mir im Traum Laduguer erschienen ist und mir mitteilte das einem von uns eine große Aufgabe übertragen wird. Diese Aufgabe verlangt dem Auserwählten unseres Allerhöchsten alles ab was dieser bisher kannte und liebte. Es wird ein schmerzlicher Dienst an unserem heiligen Vater sein aber die Hingabe wird Denjenigen näher zu Laduguer führen als es je ein Duergar vorher war. Unser geliebter Beschützer wird seine Wahl nun treffen.“
Goignar Schwarzfaust, ein eher unscheinbarer Grauzwerg, saß in einer der hinteren Reihen. Er wußte nicht was er von dieser Ankündigung halten sollte. Welcher halbwegs Intelligente Zwerg wollte schon sein Zuhause verlassen ? In der Unterwelt gab es zu viele Gefahren. Sichelschrecken, Goblins, Basilisken und Drow. Ein Schauer überkam ihn als er an die Drow dachte. Elfen, ekelhafte bösartige Kreaturen, obwohl man konnte gut mit ihnen handeln. Erz, Metall und Riesenkrebsbeine waren sehr beliebt bei den Drow. Es bestand eine gewisse stillschweigende Übereinkunft mit den Dunkelelfen. Aber diese hielten sich nur daran wenn es ihren Plänen diente. Was also wollte ihr hoher Vater dort draußen an Macht gewinnen ? Goignar wußte natürlich von den Machtspielen der Götter untereinander, aber wollte Laduguer sich wirklich mit Lolth anlegen ? Kein Gott forderte dieses Ungeheuer heraus. Mit den Göttern der Svirfneblin bestand ein Übereinkommen, so hatte es der Oberklerus einmal erwähnt. Nun abwarten dachte er sich, auf ihn würde die Wahl bestimmt nicht fallen. Schließlich war er erst seit zwei Jahren im Dienste des Klerus und somit kein ausreichend geschulter Kämpfer Laduguers.
Ein fade schimmerndes Licht entstand in den Augenhöhlen der Statue und wurde langsam heller. Das Licht wurde für die Augen der versammelten Duergar aber nicht schmerzhaft. Sie konnten auch die Oberflächensonne halbwegs gut ertragen, zogen natürlich die Dunkelheit ihrer Heimat, der tiefen Höhlen, vor. Das Licht sammelte sich und schwebte langsam in Richtung der Hallendecke. Dort blieb es ein paar Sekunden stehen um kurz darauf zu Boden zu sinken.
Goignar wurde nervös und begann zu schlucken, denn der Kloß in seinem Hals versprach nichts Gutes, denn das Licht bewegte sich tatsächlich in seine Richtung. Die Zwerge neben ihm wurden ebenfalls unruhig und schauten sich gegenseitig fast panikartig in die Gesichter. Es kam immer näher und ein Zittern durchlief Goignar. Kurz darauf wurde er von der schimmernden Sphäre eingehüllt. Er konnte weder etwas sagen noch sich bewegen, der Schock saß einfach zu tief. Er war auserwählt, er der sich nicht gerade als der glühendste Eiferer seines Gottes erwiesen hatte.
„Die Auswahl wurde getroffen, bitte laßt mich jetzt mit dem Auserwählten allein meine Brüder.“
Die Versammlung löste sich langsam in Richtung der großen Tore des Ausganges auf. Als die beiden Grauzwerge allein in der großen Halle waren sprach der Oberklerus Goignar direkt an.
„Du bist Goignar Schwarzfaust, nicht war mein Bruder ?“
„Jajjaa .. ehrenwerter Oberklerus“ stammelte Goignar. Er konnte es immer noch nicht glauben.
„Unser großer Vater hat mir aufgetragen den Auserwählten über seine Absichten zu instruieren. Ihr werdet eine weite Reise unternehmen müssen.“ erklärte der ältere Zwerg mit Wehmut in der Stimme. „Es ist eine große Auszeichnung und eine ebenso große Bürde die du tragen wirst.“
„Aber wieso ich ... !“ platzte es aus Goignar heraus. „Ich bin es doch gar nicht ... ich meine ich bin ... gerade einmal angefangen Laduguer zu dienen ... ich kann ... habe ... mir fehlt die Erfahrung für diesen Dienst an Laduguer.“ Seine Worte überschlugen sich vor Hast.
Die tiefe Stimme des Oberklerus entgegnete erbost. „Woher wollt ihr wissen ob ihr diesem Auftrag gewachsen seid. Zweifelt ihr die Allwissenheit unseres Vaters an ?“
Goignar wirkte bei jedem Wort kleiner und duckte sich sichtlich in Erwartung einer Bestrafung. Aber der Oberklerus sprach in einem versöhnlicheren Tonfall weiter.
„Ihr seid in der Kunst des Kampfes ausgebildet worden und beherrscht auch schon einige Zauber unseres Ordens. Diese Fertigkeiten werdet ihr auf der Reise weiter ausbauen können, denn euer Gott steht an eurer Seite. Bezweifelt dies niemals mein Bruder.“ Ein Blick in die Augen seines hohen Bruders zwang Goignar zu schweigen. „Eure Reise wird euch an die Oberfläche führen.“ Bei diesen Worten fiel Goignar fas t in Ohnmacht. Die Oberfläche, das unbekannte Land. Duergar kannten zwar einige Oberflächenbewohner und waren auch öfter an der Oberfläche um Handel zu treiben, aber nie hatten sie sich weiter als bis zum nächsten Dorf gewagt. Dort oben lauerten auch diese ekelhaften Elfen. Diese sahen zwar anders aus als die Drow aber bestimmt waren sie genauso mordlüstern wie ihre Vettern aus dem Dunkel der Tiefen. Und dorthin sollte er gehen und ... ja was sollte er dort nur tun ?
„Was ... ?“. Der Oberklerus schnitt Goignar das Wort ab. „Das wird euch Laduguer, unser allmächtiger Beschützer schon noch kundtun. Ihr werdet ein wichtiger Teil im Spiel der Götter sein. Schluß jetzt mit den Fragen. Macht euch fertig für die Reise. Wir werden euch mit den besten Waffen, Rüstungen und Nahrungsmitteln ausstatten. Die Reise zur Oberfläche wird ungefähr zwei Wochen dauern, wenn euch unterwegs nichts aufhält.“ Dieser letzte Satz trug nicht gerade etwas zur Beruhigung von Goignars Zustand bei.
Er war verloren ...